Ausgabe 2014 KW 39

"Mobile ERP" und die Cloud

Diskussion: ERP aus der Cloud oder On Premise, Teil 3

Mobilzugriff auf ERP-Lösungen

Frank Naujoks, Microsoft; Quelle: Microsoft

Der mobile Zugriff spielt bei immer mehr Kunden eine wachsende Rolle und muss für beide ERP-Implementierungswege – „Inhaus“ oder aus der Cloud – sichergestellt werden. Durch die Allgegenwart mobiler Apps zeichnet sich eine Innovationswelle ab, die künftig noch stärker auf Cloud-basierten Services beruhen wird. Somit muss man abwarten, wie diese Services vorwiegend von mobilen Anwendungen geprägt sein werden, die leistungsstärker sind und die sich individueller und einfacher nutzen lassen.

Wichtig erscheint vpor allem eine Device-gerechte Darstellung der Informationen, denn die Bildschirmgrößen von Handy, Tablet und Notebook und ihre Bedienkonzepte unterscheiden sich deutlich. Hier muss einiges an Intelligenz in das Produkt fließen, um die unterschiedlichen Betriebssysteme adäquat bedienen zu können.

 

 

Browser oder App?

„Speziell in der Dienstleistungsbranche werden mobile Einsatzszenarien einen großen Sprung nach vorne machen“, so Jörg Jung, Geschäftsführer UNIT4 Business Software. Quelle: UNIT4

Bei der Unit4 Software sieht man diese Frage aus dem Blickwinkel der Anwender und als Spezialist mit „ERP für die Dienstleistungsbranche“ fällt die Antwort auch eindeutig aus: „Speziell in der Dienstleistungsbranche werden mobile Einsatzszenarien einen großen Sprung nach vorne machen“, ist Jörg Jung überzeugt.

Der Geschäftsführer von UNIT4 Business Software liefert auch die Begründung dazu: „Denn die Mitarbeiter eines Dienstleisters sind in der Regel außerhalb des eigenen Unternehmens – beim Kunden – aktiv. Bei Mobile Cloud Computing gelten aber dieselben Regeln wie bei traditionellen Angeboten. Der Nutzer greift über ein mobiles Endgerät auf die Business Software zu, abgerechnet wird auf Basis der tatsächlichen Nutzung. Sollen Mitarbeiter über Privatgeräte Zugriff auf Unternehmenssoftware erhalten, müssen Unternehmen erst einmal abwägen, in wie weit die Unternehmens-IT den Trend zu Bring-Your-Own-Device – BYOD – generell unterstützt. Außerdem müssen sie sich mit den entsprechenden Sicherheitsrichtlinien auseinandersetzen und diese implementieren.“

„Natürlich ist es einfacher, auf Cloud-basierte ERP-Lösungen mobil über einen Web-Browser zuzugreifen, als auf eine On-Premise-Lösung, für die noch ein eigener Web-Server mit entsprechenden Sicherheitsstandards eingerichtet werden muss“, urteilt Jan Friedrich, Projektleiter Cloud Services im Geschäftsbereich „Kleine und mittlere Unternehmen“ der Sage Software GmbH. „Möglich ist jedoch beides und wird auch in der Praxis nachgefragt.“

Trumpfkarte Ortsunabhängigkeit

Sascha Vohl, Prokurist bei der BSH IT Solutions: „Durch das Arbeiten in der Cloud eröffnen sich neue Prozessmöglichkeiten.“; Quelle: Allgeier IT Solutions
Angela Mazza Senior Vice President bei SAP SE: „Das Design der Cloud-Lösungen wird zunächst für die mobile Anwendung gestaltet und erst im Nachgang an die Desktop-Variante angepasst.“ Quelle: SAP

Für Sascha Vohl, Prokurist bei der BSH IT Solutions, einer 100prozentigen Tochterunternehmen des Bremer IT-Unternehmens Allgeier IT Solutions, sind die Vorteile des Mobilzugriffs klar zu erkennen: „Anwender können jederzeit, an allen Orten, mit allen Endgeräten benutzerorientiert auf die eigenen Unternehmensdaten zugreifen. Es ist egal, ob man mit einem Standrechner, einem Laptop, Tablet oder einem Smartphone die Daten abruft. Man benötigt lediglich eine Internetverbindung sowie einen Browser. Durch das Arbeiten in der Cloud eröffnen sich neue Prozessmöglichkeiten wie die Anbindung von Außendienstmitarbeitern oder Kollegen im Homeoffice.“

Keine besonderen Vorteile kann dagegen Angela Mazza erkennen. Sie agiert als Senior Vice President, Head of Cloud & Line of Business, Middle & Eastern Europe, bei SAP SE: „Diese Frage sollte keine Rolle spielen, da in beiden Fällen mobile Szenarien heutzutage problemlos realisierbar sind. Bei SAP liegt der Fokus bei der Entwicklung von Cloud-Lösungen in erster Line auf den mobilen Einsatz. Das Design der Cloud-Lösungen wird zunächst für die mobile Anwendung gestaltet und erst im Nachgang an die Desktop-Variante angepasst.“ Durch die Allgegenwart mobiler Apps werde, so Mazza, eine neue Innovationswelle in Gang gesetzt, die künftig noch stärker auf Cloud-basierten Services beruhen wird: „Es ist zu erwarten, dass diese Services vorwiegend von mobilen Anwendungen geprägt sein werden, die leistungsstärker sind und sich individueller und einfacher nutzen lassen.“

In dasselbe Horn stößt Philipp Erdkönig, Department Director Business Development Center DACH, Comarch S.A: „Technologisch gibt es hier keinerlei Unterschiede beim Mobilzugriff auf die ERPO-Lösung, egal ob Comarch ERP On Premise, in der Cloud, aber eben auf der Hardware des Kunden betrieben wird. Beim Betrieb in der Comarch Cloud erhält der Kunde höhere Datensicherheit und garantierte Erreichbarkeit des ERP-Systems von mobilen Geräten aus, da Comarch als Rechenzentrumsbetreiber weitaus höhere Standards in den Bereichen Verfügbarkeit und Datensicherheit bietet als die interne IT eines mittelständischen Unternehmens.“

„Wer von einem mobilen Device über das Internet auf Daten zugreift, egal ob diese im eigenen Rechenzentrum oder in der Cloud gehostet sind, muss vor allem über einen gesicherten Übertragungsweg sorgen, sprich VPN und verschlüsselte Datenverbindung“, erklärt Bernd Bätz. Für den Teamleader, SAP Technical Consultant bei der FIS-ASP Application Service Providing und IT-Outsourcing GmbH ist die Quelle, auf die dabei zugegriffen wird, in der Frage zweitrangig.

Triebfeder Mobility

Plädiert beim Mobilzugriff für VPN und verschlüsselte Datenverbindung: Bernd Bätz, FIS-ASP Application Service Providing und IT-Outsourcing GmbH.

„Der mobile Zugriff spielt bei immer mehr Kunden eine wachsende Rolle und muss für beide Implementierungswege – Cloud wie auch On Premise – sichergestellt werden“, ist Frank Naujoks, überzeugt. Der Product Marketing Manager für Dynamics AX bei Microsoft stellt allerdings heraus: „Wichtig ist eine Device-gerechte Darstellung der Informationen, denn die Bildschirmgrößen von Handy, Tablet und Notebook und ihre Bedienkonzepte unterscheiden sich deutlich. Hier muss einiges an Intelligenz in das Produkt fließen, um die unterschiedlichen Betriebssysteme adäquat bedienen zu können.“

„Mobilzugriff über Browser oder Apps ist bei beiden Varianten möglich“, damit stimmt Henk Vluggen, der als Principal Presales bei Exact Software ERP-Systemeinführungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz verantwortet. „Wenn man jedoch Bedenkenbezüglich der Sicherheit einer Cloud Lösung hat, wird man höchstwahrscheinlich auch Bedenken bei mobilem Zugriff haben. Das wäre meiner Meinung nach allerdings schade, da ERP-informationen anytime/anywhere die Effizienz erheblich steigern können und zudem einen Wettbewerbsvorteil darstellen.“

Die Frage „ERP aus der Cloud oder On Premise?“ lässt sich für Dirk Stadtherr, Product Manager Workforce Management bei KaBa, nur in Abhängigkeit von der Infrastruktur eines Unternehmen sowie der Architektur einer ERP-Lösung sinnvoll beantworten: „Auch heute schon sind On-Premise ERP Lösungen in der Lage, mobile Inhalte darzustellen, beziehungsweise Lösungsanbieter am Markt, die Inhalte auf Mobilgeräte liefern. Die Frage ist, ob Unternehmen generell bereit sind, Zugriffe von außen zuzulassen.“

Für Dan Matthews, CTO bei IFS World Operations, spielt diese Frage keine geschäftskritische Rolle: „Mobile Mitarbeiter auf Reisen profitieren oft von einer besseren Performance, wenn sie ihr ERP-System aus der Cloud nutzen, da es gewissermaßen zentraler zur Verfügung steht. Für mobile Mitarbeiter an einem festen Standort – etwa in einem Warenlager – kann es dagegen eine geringere Leistung bedeuten, da sich die Server nicht mehr im eigenen Gebäude befinden. In beiden Fällen sind diese Unterschiede aber nicht gravierend.“

Für Andreas Anand, Vice President Consulting Services EMEA bei Infor, müsste die Frage eher lauten: „Ist das traditionelle, On-Premise-ERP überhaupt in der Lage, mobiles Applikationen zu unterstützen?“ Erst wenn diese Hürde genommen ist, gilt für beide Bereitstellungsformen gleichermaßen, entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu treffen und für Hochverfügbarkeit und geringe Latenzzeiten zu sorgen. Das stellt sich bei Cloud-Lösungen zum Teil als weniger aufwändig heraus.“

Rainer Huttenloher