Ausgabe 2014 KW 42

Enterprise Content Management

Agilität in ECM-Landschaften

Cloud überwindet die Gräben

Quelle: forcont

Aufgrund der Einschränkungen vieler ECM-Systeme nutzen Mitarbeiter im Unternehmen bevorzugt Filesharing- und Onlinespeicher-Dienste à la Dropbox, die ursprünglich für den Consumer-Bereich bestimmt sind – sowohl innerhalb des Unternehmens als auch für den Austausch mit Geschäftspartnern. Dabei nehmen sie auch ohne großes Zögern Verstöße gegen Unternehmensrichtlinien in Kauf, weil eine produktive Teamarbeit im Prozess eben immer häufiger eine hohe Flexibilität, Agilität und Integrationsfähigkeit erfordert. Das sind Eigenschaften, die standardisierten Out-of-the-box-Produkten, nutzerorientierten Collaboration-Tools, mobilen Applikationen und modernem Cloud Computing zu eigen sind. Man verbindet sie aber nicht ohne weiteres mit komplexen ECM-Suiten. Damit beide Welten nicht ein unproduktives, riskantes und kaum zukunftsfähiges Nebeneinander führen, gilt es sie zu verknüpfen. Hochintegrative, intelligente Online-Speicher können als Prozessbrücke beide Welten verbinden und so statische „systems of records“ zu dynamischen „systems of engagement“ weiterentwickeln.

Onlinespeicher

Enterprise-Speicher in der Cloud; Quelle: forcont

Viele der heutigen ECM-Anwendungen sind vorzugsweise für die statische On-Premise-Welt konzipiert. Sie sollen sämtliche im Unternehmen entstehenden Inhalte verwalten und sie über eine zentrale Plattform für alle nötigen Prozesse zur Verfügung stellen. Die Systeme sind dementsprechend mächtig und dieses Entwicklungsziel führte dazu, dass sie insbesondere an ganzheitlichen Unternehmensprozessen orientiert sind.

Damit fehlen im Allgemeinen aber die vielen kleinen, nutzerfreundlichen Funktionen Möglichkeit, Dokumente einfach aus einer Anwendung heraus mit Geschäftspartnern zu teilen. Der Austausch von Dokumenten mit Geschäftspartnern über E-Mail kann sich aber mitunter als sehr mühselig, kompliziert und fehleranfällig erweisen. Es entsteht häufig ein Dschungel aus versionierten Dokumenten, deren Aktualität und Bearbeitungsstatus nicht mehr nachvollziehbar ist. Außerdem werden die Inhalte so unnötig dupliziert und über etliche dezentrale Speicher gestreut.

In der modernen Arbeitswelt regieren jedoch Prinzipien wie Flexibilität, Agilität und Mobilität. Cloud-Services, wie Filesharing- und Onlinespeicher-Dienste, verkörpern genau diese Prinzipien: Ob nun unternehmensseitig erlaubt oder nicht, die unkomplizierte, zentrale Bereitstellung von Dokumenten über das Web, die flexible Nutzung, online wie offline, unabhängig vom Endgerät, der mobile, annähernd unbeschränkte Zugriff zu jeder Zeit an jedem Ort, der schnelle Austausch mit anderen Nutzern: all diese Vorteile überwiegen aus Nutzersicht jegliche Sicherheitsbedenken. Hinzu kommt, dass diese Dienste vielfach kostenlos sind und wenn überhaupt nur einen minimalen Installationsaufwand erfordern.

Aus der Perspektive des Unternehmens sieht das anders aus: Diese Dienste speichern die Daten auf externen Systemen, ohne Zugriffskontrollen und machen es Unternehmen unmöglich, die Hoheit über ihre Daten zu behalten. Spätestens wenn Beschäftigungsverhältnisse und Geschäftsbeziehungen enden, entsteht dadurch ein erhöhtes Risiko des Datenmissbrauchs und -diebstahls. Neben zweifelhafter Sicherheit und mangelnder Kontrolle haben Consumer-orientierte Onlinespeicher noch einen weiteren Nachteil.

Die Möglichkeiten, sie in eine effiziente Prozess- und Wertschöpfungskette zu integrieren, sind extrem beschränkt. Sie nehmen das Dokument entgegen, speichern es in dem vorgegebenen Format ab und versehen es mit einer Adresse. Die Dokumente befinden sich nicht in der Hoheit und im alleinigen Zugriff durch das Unternehmen. Damit lassen sich die in den Dokumenten enthaltenen Geschäftsinformationen nicht für andere Geschäftsprozesse und Anwendungen nutzbar machen. Das steht im Widerspruch zum Ansatz, sämtliche entstehenden Inhalte zu verwalten und produktiv nutzbar zu machen.

Enterprise-Speicher

Quelle: forcont/iStock

Unternehmen müssen deshalb selbst aktiv werden und ihren Mitarbeitern Alternativen zur Verfügung stellen, um einerseits die Abwanderung kritischer Daten in die sogenannte Schatten-IT zu verhindern, und andererseits die Unternehmensprozesse maximal zu unterstützen. Ein Enterprise-Speicher muss genauso unkompliziert, komfortabel und leistungsstark sein, wie die Consumer-Dienste. Ansonsten nutzen die Mitarbeiter die Lösung nicht. Das Frontend und das Bedienkonzept sollten dabei eher an Consumer-Diensten orientiert sein, um den Austausch von Inhalten mit IT-fernen Geschäftspartnern zu erleichtern. Darüber hinaus darf sie nicht auf den reinen Austausch von Dateien beschränkt sein, sondern muss sich vollständig in die Anwendungslandschaft des Unternehmens integrieren.

Das macht eine webbasierte Dokumenten- und Prozessbrücke als eine Art Middleware zwischen den ECM-Applikationen und regulären Office-Anwendungen nötig, die sich intuitiv bedienen lässt und zudem mobil verfügbar ist. Als intelligentes Filesystem in der Cloud sollte ein solcher Onlinespeicher die Dokumente sammeln, verteilen und den Datenaustausch zwischen den unterschiedlichen Fachanwendungen koordinieren. Es ist dabei unabdingbar, dass die Cloud in der Kontrolle des Unternehmens steht.

Die Business Logik muss dabei selbstständig auf die manuell vom Nutzer oder automatisiert von Anwendungen angeschobenen Prozesse reagieren. Auf Programmebene spricht man von Ereignissen oder Events, etwa dem Input oder Output von Dokumenten, deren Umbenennung, das Erkennen eines bestimmten Dateityps etc. In Abhängigkeit von diesen Ereignissen werden passende Prozessschritte aktiviert, die das Dokument dann selbstständig konvertieren, Dokumentenattribute abfragen und das Dokument an die passende Fachanwendung weiterleiten. Da jeder Nutzer des Onlinespeichers über seinen Account eindeutig identifizierbar und adressierbar ist, kann so ein durchgängiger Datenaustausch entstehen, der dem Nutzer sämtliche Informationen aus unterschiedlichsten Fachanwendungen jederzeit automatisiert bereitstellt. Technisch lässt sich eine Vielzahl solcher Anforderungen durch Webservices realisieren.

Ein konkretes Beispiel für den Einsatz eines Enterprise-Onlinespeichers ist etwa die gezielte Verteilung und Verarbeitung eines Fragebogens zu einer Kundenzufriedenheitsbefragung. Der Vertriebsmitarbeiter erhält den Fragebogen über sein persönliches Postfach im Onlinespeicher. Gemeinsam mit dem Kunden wird er den Fragebogen dann in der Oberfläche des Speichers ausfüllen. Nach Abschluss des Gespräches speichert er den Fragebogen, der dann automatisch an die Marketing- und die Vertriebsabteilung zur Auswertung weitergeleitet wird. Durch die Synchronisationsmechanismen des Online-Speichers ist sichergestellt, dass stets nur der aktuellste Fragebogen genutzt wird. Die Verteilung des Dokuments an die Kundenberater wird über eine Fachanwendung gesteuert, beispielsweise das zentrale SAP CRM.

Ein weiteres Beispiel ist die einfache Zustellung einer Krankmeldung an den Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer fotografiert den Krankenschein, lädt die Datei in den Online-Speicher, der sie als persönliches HR-Dokument erkennt und mit den entsprechenden Metadaten an das führende HR-System weiterleitet. Über dieses System erfolgt dann die Benachrichtigung des Vorgesetzten.

Dem Nutzer steht mit dem Online-Speicher auch ein persönliches Filesystem zur Verfügung, das sich komfortabel im Dateibrowser oder im Smartphone verwalten lässt und ihm einen schnellen Zugriff auf alle persönlich relevanten Inhalte ermöglicht. Einfaches File-Sharing mit Dritten sowie Zusatzfunktionen, etwa das Scannen von Dokumenten, Verwaltung von Terminen und Erinnerungen oder smarte Dokumentenbearbeitungstools etc. lassen sich problemlos integrieren. So erhalten Sales-Mitarbeiter beispielsweise ein leistungsfähiges Instrument für die Kundenbetreuung vor Ort.  Die intelligente Geschäftslogik kann dabei eigenständig verhindern, dass veraltete oder entsprechend geschützte Dokumente Dritten zugänglich gemacht werden.

Sicherheit bei Dokumenten

Cloud Computing ermöglicht es auch in der einfachen Form eines kontrollierbaren Enterprise-Onlinespeichers, Geschäftsprozesse eines Unternehmens zu optimieren. Die Frage nach der Sicherheit des Cloud Computings ist dabei durchaus berechtigt, liegt der Betrieb der Software doch ggf. in fremden Händen. Unternehmen müssen sich intensiv mit den jeweiligen Cloud-Anbietern auseinandersetzen und Transparenz einfordern.

Dazu gehören Fragen nach dem Ort der Speicherung, der Zertifizierung des Rechenzentrums, der Einhaltung geltender Datenschutzgesetze, der Möglichkeiten, zu jeder Zeit seine Daten wieder aus der Cloud zu lösen, Hochverfügbarkeit und vieles mehr. Hinzu kommt, dass sich die Übertragungswege der Daten aus der Cloud zu den jeweiligen Devices der Anwender, kaum kontrollieren lassen.

Welchen Weg die Daten nehmen, und wer dazwischen geschaltet ist, erschließt sich nicht. Der Cloud-Nutzer muss daher gegenüber dem Anbieter des Cloud-Services auf einer verschlüsselten Übertragung bestehen. Die sicherste Lösung ist dabei eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Außerdem geben Zertifizierungen wie ISO, TÜV und von einer Reihe weiterer Institutionen wie German Cloud und Cloud-EcoSystem, bei der Suche nach dem richtigen Anbieter Orientierung.

Matthias Kunisch

ist Geschäftsführer der forcont business technology gmbh.